50. Jahrestagung der österreichischen Textilindustrie Bregenz am 15. September 2000 Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Was wir zur Zeit erleben, ist ein revolutionärer Umbruch, die Entwicklung einer New Economy. Wir als Textiler müssen an diesem Veränderungsprozeß nicht nur teilnehmen, sondern ihn mitgestalten. Als global player muß die österreichische Textilindustrie schneller, effizienter und maßgeschneidert liefern, um gegen die Konkurrenz aus der ganzen Welt bestehen zu können. Dies geschieht nicht nur durch Investitionen in Maschinen sondern auch in die Ausbildung der Mitarbeiter: Nämlich Klasse statt Masse bestimmen das global play. Waren es früher einmal traditionell eingefahrene Wege, die es den Herstellern erlaubten, langfristig vorauszuplanen und innerhalb vereinbarter Termine zu liefern, präsentiert sich der Markt von heute und morgen völlig neu: Just in Time; lieber gestern als morgen gemeinsam mit einem extremen Preis-/Leistungsdenken - unter extremen Bedingungen muß dem Konkurrenzdruck aus Niedriglohnländern standgehalten und müssen trotzdem eigene Konzepte entwickeln werden. Informationen sind in einer nie geahnten Vielfalt und zu jeder Zeit erhältlich Heute sind die Menschen via Internet – der elektronischen Autobahn – aus allen Erdteilen unterschiedlichster Sprachen und Kulturen miteinander verbunden und können sich 24 Stunden lang auf dieser Schnellstraße tummeln. Das Schlagwort von der „Instant Availability“ hat Leben bekommen. Erfreulicherweise hat die Textilindustrie nun schon seit einigen Jahren zufriedenstellende Ergebnisse zu melden. Eine Umfrage des Fachverbandes unter den Mitgliedsfirmen ergibt auch im 1.Halbjahr 2000 gegenüber der Vorjahresperiode eine Umsatzsteigerung nämlich auf 21,2 Mrd. S (+ 9,3 %). Die kontinuierliche Ausweitung der Ausfuhren österreichischer Textilprodukte ist Indiz für die nach wie vor gute Positionierung auf dem internationalen Markt. Immerhin hat sich der Export im 1.Halbjahr 2000 gegenüber der Vergleichsperiode um 5,3 % auf 14,8 Mrd S erhöht. Deutschland ist Österreichs Außenhandelspartner Nummer 1 – sowohl was den Export als auch den Import betrifft, und dies mit weitem Vorsprung vor allen anderen europäischen Ländern. Mehr als 30 % der gesamten Exporte Österreichs gehen nach Deutschland. Und 35 % der gesamten Importe kommen aus Deutschland. Rang 2 teilen sich Italien und Frankreich mit jeweils knapp 10 % des Exportvolumens. Die Exporte nach Osteuropa, mehr als 17 % der Gesamttextilausfuhren, waren mit einem Plus von 2,1 % ebenfalls steigend. Etwas stärker, nämlich um 4,0 % erhöhten sich die Importe. Auch in Asien konnten Exportsteigerungen von rund 6 % erzielt werden. Die Zahl der Beschäftigten war im 1. Halbjahr 2000 gegenüber der Vergleichsperiode mit 21.170 (- 2 %) leicht rückläufig. Die Zukunft wird davon abhängen, in wie weit man erfolgreich im Auftreten sowohl in Europa als auch in Übersee sein wird. Eine gewisse Hilfestellung wird hierbei die EU bieten, insbesondere in Bereichen der WTO-Kompetenz. Aber vor allem wird es darauf ankommen, wie die vom Markt ausgehenden Kräfte erkannt, genützt und umgestaltet werden. In meinen Ausführungen möchte ich mich heute mit einem Land beschäftigen, das mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren den Textilhandel weltweit beeinflussen wird, nämlich CHINA. Der WTO-Beitritt Chinas wird österreichischen Firmen mittel- und langfristig neue Chancen eröffnen. Wird China, wenn es ein Mitglied der WTO wird, ein bedeutender Exporteur bleiben oder wird es seinen eigenen Binnenmarkt stärker beliefern? China ist mit 9,6 Mio km2 flächenmäßig viertgrößtes Land der Welt (nach Rußland, Kanada und den USA), zählt 1,3 Mrd Einwohner und steht diesbezüglich somit am erster Stelle weltweit. Trotz aller Fortschritte ist China in weiten Teilen des Landes als Entwicklungsland zu betrachten. Von den ca. 900 Mio Einwohnern Chinas, die auf dem Lande leben, beziehen ca. 450 Mio Menschen ihre Einkünfte noch ausschließlich aus der Landwirtschaft. Die VR China befindet sich in einem Stadium eines wirtschaftlichen und wirtschafts-politischen Umbruchs mit dem Ziel, unter Einsatz marktwirtschaftlicher Prinzipien, den Anschluß an die Schwellenländer und in der Folge an die westlichen Industriestaaten zu gewinnen. Die südchinesische Küstenregion hat am stärksten von der Öffnungspolitik profitiert und entwickelte sich zu einem weltweit führenden Produktionszentrum für Textilien, Bekleidung, Elektro- und Haushaltsgeräten sowie Spielwaren. Bedeutende Wirtschaftssektoren sind neben der Maschinenbauindustrie und der Bauwirtschaft die Textil- und Bekleidungsindustrie. Diese Sparte ist eine der traditionellen Industriezweige Chinas, die allerdings in den letzten Jahren unter-durchschnittliche Wachstumsraten verzeichnet und derzeit nur mehr einen Anteil von rund einem Viertel an den chinesischen Gesamtexporten hält. Besonders in Südchina haben zahlreiche ausländische Unternehmen Produktionszentren errichtet bzw. vergeben an Unternehmen Aufträge für Lohnveredlung. Entwicklung des textilen Außenhandels mit Österreich: Im Jahr 1999 haben sich die österreichischen Textilausfuhren in die VR China, ohne Hongkong, auf 56,7 Mio. ATS mehr als verdoppelt. Die Einfuhren von Textilien aus der VR China erreichten im Jahr 1999 den Wert von 1,2 Mrd. S und lagen damit um 20,3 % über den Vergleichswerten des Vorjahres. Im Vergleich dazu stiegen die österreichischen Gesamtausfuhren nach China (ohne Hongkong) um rund 10 % (auf 5 Mrd.S). Ebenfalls um 10 % erhöhten sich die Importe (auf 12 Mrd.S). Damit betrug das Handelsbilanzdefizit mit China (ohne Hongkong) 7 Mrd.S. Die Exportchancen sind gut und es kann mit Steigerungen gerechnet werden. Nach den USA hat nun auch die EU Verhandlungen über den Beitritt Chinas zur WTO abgeschlossen. Absolute Bedingungen der österreichischen Textilindustrie waren umfassende Marktöffnung durch Abbau der hohen Textilzölle und die Beseitigung des dirigistischen Staatshandelssystems. Hier ist ein echter Durchbruch gelungen. China hat sich verpflichtet, die derzeit noch sehr hohen Importzölle für Textilien in Etappen bis spätestens 2005 annähernd auf das EU-Niveau zu senken. Dies bedeutet, daß die Zölle um bis zu 80 % niedriger sein werden als derzeit. Gerade für textile Vormaterialien, wie Garne und Gewebe, wird es sehr rasch zum Wegfall der Zollbarrieren kommen. Damit wird Firmen der österreichischen Textilindustrie ein neuer Hoffnungsmarkt eröffnet. Aber auch für Fertigwaren werden die Zölle auf ein akzeptables Niveau abgesenkt. Diese Konzessionen Chinas eröffnen nicht nur Möglichkeiten im Land selbst, sondern gleichzeitig sind sie auch eine Vorentscheidung für die Marktöffnung in anderen Ländern der Dritten Welt, die in den nächsten Jahren von der EU erreicht werden muß. Die Liberalisierungs- und Öffnungspolitik, die durch den Beitritt zur WTO zu sehen ist, betrifft fast alle Bereiche der Wirtschaft in China. Die Preisregulierung wurde für 90 % der Produkte aufgehoben, die Wirtschaftsgesetzgebung schafft mehr Transparenz. Chinas Ringen, die letzten Schäfchen in den WTO-Stall zu bringen, wird wohl von Erfolg gekrönt sein – auf Kosten des Knochenmarkes der alten Wirtschaftsordnung. EU-China-Abkommen zum chinesischen WTO-Beitritt: Im Mai d.J. wurde nach langwierigen Verhandlungen endlich das Abkommen zwischen EU und China zum chinesischen WTO-Beitritt unterzeichnet. China hat in dem Abkommen weitreichende Zugeständnisse bei der Marktöffnung im tarifären und nicht-tarifären Bereich gemacht. Wesentlich sind hierbei folgende Punkte: Auch der Textil- und Bekleidungssektor profitiert von erheblichen Zollsenkungen, wobei für die meisten Produkte der Kapitel 50-63 der durchschnittliche Zollsatz zwischen 5 und 14 % liegen wird. Zollspitzen gibt es nur noch bei einigen wenigen Bekleidungsprodukten, die bei 17 % liegen dürften. Die Importquoten auf über 40 Tarifpositionen im Textilsektor (Rohmaterial und Garne) werden abgeschafft. Bis auf einige Ausnahmen sollen die Mengenrestriktionen nach spätestens fünf Jahren ausgelaufen sein. Die Import- und Exportlizensierung muß in Übereinstimmung mit dem GATT gebracht werden, d.h. sie muß automatisch und nicht-diskriminierend erfolgen. Beschränkungen auf Handelsrechte werden voraussichtlich noch drei Jahre fortbestehen. Das lange umkämpfte Staatshandelsmonopol auf Seide konnte doch noch zu Fall gebracht werden. China, das einen Anteil von 70 % an der Weltseidenproduktion hat, muß das Exportmonopol ab dem WTO-Beitritt graduell abbauen und bis 2005 vollständig abgeschafft haben. Auch bei der Distribution werden wichtige Hemmnisse verschwinden: China wird die spezifische Joint-Venture-Beschränkung auf große Kaufhäuser aufheben, die praktisch für alle Ketten Geltung hatte. Außerdem soll das bisherige Limit von 20.000 m2 Verkaufsfläche für ausländische Unternehmen fallen. Darüber hinaus hat China im horizontalen Bereich zugesagt, Exportsubventionen einzustellen und local-content-Regelungen aufzuheben. Auch sollen bei den staatlichen Ausschreibungen ausländische Bieter nicht mehr diskriminiert werden. Durch die Reduzierung der Einfuhrzölle werden ausländische Qualitätsprodukte für den chinesischen Konsumenten erschwinglicher. Es können neue Initiativen gesetzt werden. Ausländische Investoren versprechen sich von einem WTO-Beitritt Chinas mehr Transparenz und weniger Willkür. Es muß jedoch auch mit der Abschaffung der Privilegien in den Wirtschaftszonen gerechnet werden. Durchschnittlich werden in China 13 % des Einkommens für Kleidung ausgegeben. In den Städten gibt es inzwischen durchaus eine Konsumentenschicht, die sich auslän-dische Markenkleidung leisten kann und will. Diese Gruppe wird laut einer Studie von KSA (Kurt Salmon Associates) mit 100 Mio Personen beziffert, von denen ca. 5 Mio importierte Produkte der oberen Preisklasse, 20 Mio der mittleren Preisklasse und die restlichen 65 Mio Produkte aus chinesischer Joint-Venture-Produktion kaufen können. Auswirkungen der WTO-Mitgliedschaft: China will seine Textilindustrie stark ausbauen und erwartet sich kräftige Absatz-steigerungen in den USA und in Europa. Ab dem Jahr 2005 würden so wie gegenüber den anderen WTO-Ländern alle Importquoten wegfallen. Derzeit schränkt das EU-Quotensystem China bei einer Steigerung seiner Textilexporte noch ein. Bei einem Wegfall der Importquoten ist ein starkes Ansteigen der Lieferungen zu befürchten, sodaß die Schutzklausel von wesentlicher Bedeutung ist. China möchte seine Textil- und Bekleidungsexporte in den nächsten 5 Jahren um mehr als 200 % steigern. Die Beschäftigten in der chinesischen Bekleidungsindustrie sollen um 50 % auf 7,6 Millionen anwachsen, die in der Textilindustrie um 23 % auf fast 15 Millionen Menschen. Dies wären insgesamt 22,4 Millionen Beschäftigte, das 10fache von der EU! Auch wenn dies nur staatliche Planabsichten sind und die Produktivität mit der EU-Industrie nicht vergleichbar ist, sind dies alarmierende Aussichten. Es wird daher die Aufgabe der europäischen Textilverbände sein, rechtzeitig Maßnahmen gegen existenzgefährdende Importe durchzusetzen. Der textile Welthandel darf keine Einbahnstraße sein: Österreichische Textilunternehmen haben rechtzeitig erkannt, daß Märkte wie China Zukunft haben, und daß sich auf Dauer auch in dieser fernen Regionen High-tech, Qualität und Liefertreue durchsetzen werden. Wie man sieht, haben wir wesentlich stärker als viele andere Branchen uns international orientiert. Die zunehmende Verknüpfung der Technik und ihre rasante Weiterentwicklung sind ebenso wie die fortschreitende Globalisierung Zeiterscheinungen, die uns in einem besonderen Maße herausfordern. Die Textilindustrie braucht sich nicht zu verstecken, beweisen doch der hohe Exportanteil und die hohen Investitionen , daß unsere Branche zu den erfolgreichsten Industriebranchen gehört. Die Stimme des Marktes - Marktforschung, Produktentwicklung, die Erfahrung unserer weltweiten Vertriebsorganisationen sind die Basis unseres Erfolges. Mit anderen Worten: Partnerschaften sind gefragt, soll aus verschiedensten Garnen und Geweben das werden, was den Konsumenten zum Kaufen veranlaßt.